Afterleiden
Die meisten Menschen haben eine natürliche Scheu, über Probleme und Beschwerden am After zu sprechen. Das drückt sich schon im Sprachgebrauch aus, wenn wir von "Verdauung" reden und "Stuhlgang" meinen. Die Verdauung findet nämlich im Magen und Dünndarm statt, wovon wir normalerweise gar nichts merken. Ausscheiden können wir aber nur die im Dickdarm übrig gebliebenen, unverdaulichen Reste. Auch sind nicht alle Veränderungen am After, die eine Schwellung oder Juckreiz verursachen, „Hämorrhoiden“. Wir möchten Sie daher über ein paar wichtige Zusammenhänge Ihrer Magen‑Darm‑Funktion und des Afterverschlusses, die dabei auftretenden Beschwerden und Untersuchungsmöglichkeiten informieren.
Welche Beschwerden machen Afterleiden?
Viele Menschen sind der Ansicht, dass alle Beschwerden am After von Hämorrhoiden kommen. Dieser Irrtum führt oft dazu, dass aus falschem Schamgefühl erst spät ein Arzt aufgesucht und so unnötig Zeit vergeudet wird.
Typische Afterbeschwerden sind Juckreiz, Nässen, Brennen bei oder nach der Stuhlentleerung, Stuhlschmieren trotz sorgfältiger Reinigung, Schmerzen beim Sitzen, ein Druckgefühl im Enddarm, Krämpfe und vor allem die Blutung. Die Blutung aus dem After kann von Hämorrhoiden, aber auch durch Entzündungen der Schleimhaut, gutartige Polypen oder einem Darmkrebs verursacht sein. Unfreiwilliger Wind‑ oder Stuhlabgang wird nicht immer durch eine Schwäche der Schließmuskeln, sondern gelegentlich durch eine Störung der Darmfunktion (beispielsweise Durchfälle, Reizdarm, Darmentzündungen), einen inneren Schleimhautvorfall oder vergrößerte Hämorrhoiden begünstigt.
Der unfreiwillige Abgang von Stuhl oder Winden (Stuhlinkontinenz) ist meist heilbar. Voraussetzung ist allerdings eine sorgfältige Untersuchung der zugrundeliegenden Ursache, sowie eine konsequente Behandlung.
Neu aufgetretene Bauchschmerzen, im Zusammenhang mit der Stuhlentleerung oder unabhängig davon, Verstopfungen, Blähungen, Durchfälle, Schleimauflagerung auf dem Stuhlgang oder Blut auf dem Stuhlgang weisen auf Erkrankungen des Dickdarms hin. Meist handelt es sich um gutartige Erkrankungen wie den sog. „Reizdarm“, Darmentzündungen, Verwachsungen des Darmes, Störungen der geordneten Beweglichkeit des Darmes oder Folgen einer Fehlernährung. Nur selten ist ein Tumor Ursache der Beschwerden. Allerdings ist der Dickdarm- und Enddarmkrebs der häufigste bösartige Tumor in Deutschland. Jährlich erkranken in Deutschland etwa 65.000 Menschen an Darmkrebs. Bösartige Tumoren entstehen fast immer aus gutartigen Darmpolypen. Etwa jeder fünfte Darmpolyp entartet im Laufe der Zeit. Diese Polypen wachsen über lange Zeit unbemerkt und machen sich allenfalls durch gelegentliche Blutungen bemerkbar (Blut im Stuhlgang oder positiver Haemoccult-Test). Darmpolypen können in der Regel bei einer Darmspiegelung entfernt werden. Dickdarm- oder Enddarmkrebs im Anfangsstadium ist praktisch immer heilbar.
Deshalb ist es so wichtig, dass bei jeder Blutung aus dem After (Blut auf dem Stuhl oder am Toilettenpapier) oder bei einem positiven Test auf verborgenes Blut im Stuhl und wenn Darmbeschwerden neu aufgetreten sind, der gesamte Dickdarm untersucht wird.
Welche Untersuchungsmöglichkeiten gibt es?
Bei der Vorsorgeuntersuchung ab dem 50. Lebensjahr wird üblicherweise ein Stuhltest auf verborgenes Blut (Haemoccult) durchgeführt. Er kann bei regelmäßiger jährlicher Testung schon sehr kleine Blutmengen nachweisen, die von Polypen oder Frühformen des Krebses ausgehen können. Wenn auch nur eine Probe von einem Testbriefchen positiv ausfällt, sollte immer eine komplette Dickdarmspiegelung gemacht werden, um die Ursache aufzuspüren. Polypen oder Karzinome bluten nicht immer, so dass auch weitere Tests wieder negativ ausfallen können.
Die Wiederholung des Haemoccult‑Testes ist überflüssig und verzögert nur die Diagnose und rechtzeitige Behandlung eines Karzinoms. Die verborgene Blutung ist das einzige Frühzeichen des Darmkrebses und muss daher zur Diagnose genutzt werden. Beschwerden treten bei Darmkrebs meistens erst sehr spät auf, plötzliche Blähungen oder Wechsel der Stuhlkonsistenz können Zeichen eines Tumors sein und werden von den Betroffenen oft zu lange als harmlos verdrängt.
Die Vorsorgedarmspiegelung als zuverlässige und wirksamste Maßnahme zur Verhütung oder Früherkennung von Darmkrebs ist in Deutschland eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen ab dem 55. Lebensjahr. Wissenschaftliche Studien belegen, dass diese Untersuchung sinnvollerweise schon ab dem etwa 45. Lebensjahr und dann in etwa 7-8-jährigen Intervallen erfolgen sollte.
Die eigentliche proktologische Untersuchung beginnt mit dem Betrachten und Abtasten der Aftergegend, gewöhnlich in entspannter Seitenlage. Dabei können z.B. Hautfalten, Narben, Entzündungen der Haut, Abszesse oder Fisteln, schmerzhafte Knoten durch Thrombosen oder vorgefallene Hämorrhoiden festgestellt werden.
Es folgt das Austasten von Afterkanal und Mastdarm mit dem Finger. Dabei kann bei der Frau auch die Gebärmutter (Uterus) und beim Mann die Vorsteherdrüse (Prostata) abgetastet und beurteilt werden. Ist die Untersuchung schmerzhaft, liegt das meistens an einem Afterriss (Analfissur) und nicht an Hämorrhoiden.
Unter Hämorrhoiden versteht man stark durchblutete Polster aus Blutgefäßen im oberen Afterkanal. Sie werden von kleinen Arterien aufgepumpt und schwellen dadurch zum Abdichten des Afters nach dem Stuhlgang automatisch an. Nur bei der Stuhlentleerung laufen sie durch Nachlassen der Spannung des inneren Schließmuskels leer und liegen dadurch normalerweise flach der Wand des sich öffnenden Afterkanals an. Pressen führt dagegen zur Stauung der Hämorrhoiden, so dass diese sich nicht entleeren können.
Hämorrhoiden kam man fast nie außen sehen oder mit dem Finger tasten. Sie sind weiche Gefäßpolster im oberen Afterkanal, die nur bei der Spiegelung zu sehen sind. Sie dienen der Feinabdichtung des Afters, sind also ein normales Organ! Erst bei Vergrößerung oder Schädigung der Hämorrhoiden mit Beschwerden oder Blutungen reden wir von einem Hämorrhoidalleiden. Vor jeder Hämorrhoidenbehandlung muss eine andere Ursache der Blutung, z.B. ein Mastdarmkrebs, ausgeschlossen werden!
Bei der Spiegelung (Endoskopie) kann die Haut des Afterkanals und die Schleimhaut des Darmes mit dem Proktoskop (6‑8 cm lang) bzw. mit dem starren Rektoskop (30 cm lang) beurteilt werden; für die Vorbereitung genügt ein Klistier unmittelbar vor der Untersuchung. Kotreste können dann bei der Untersuchung abgesaugt werden. Die Einnahme von Abführmitteln vor der Untersuchung sollte unterbleiben, weil dadurch von oben nachfließender dünnflüssiger Stuhl die Übersicht erschwert.
Höhere Dickdarmabschnitte werden mit flexiblen Video‑Endoskopen (Koloskop) untersucht; hierbei kann auch der untere Dünndarm eingesehen werden. Diese Untersuchungen erfordern eine Vorbereitung mit Abführmitteln am Vortag der Untersuchung. Zusätzlich kann eine Röntgen‑Doppelkontrastuntersuchung des Dickdarms oder des Dünndarms durchgeführt werden.
Mit modernen Ultraschallgeräten für die Untersuchung der Beckenorgane ("endorektaler Schall") können auch tiefere Gewebeschichten unter der Schleimhaut und Nachbarorgane des Darmes (Gebärmutter, Prostata, Samenblasen, Blase, Beckenbodenmuskulatur, Fettgewebe und Lymphdrüsen) beurteilt werden.
Bei Störungen der Dickdarmfunktion oder bei Nahrungsmittelunverträglichkeiten sind ggf. weitere Funktionstests oder zusätzliche Laboruntersuchungen erforderlich.
Die Prüfung der Funktion des Verschlußapparates "After" kann durch die Schließmuskel‑Druckmessung, durch die Elektromyographie (Messung der Nervenfunktion der Muskeln), durch eine Defäkographie (Röntgenuntersuchung der Mastdarmentleerung) oder eine Kernspintomographie ergänzt werden.
Welche Untersuchungen im Einzelnen bei Ihnen nötig sind, hängt von den Beschwerden ab und muss individuell vom Arzt festgelegt werden.